Hunderte hoffnungsvolle Augen auf die Lostrommel gerichtet, Duft von Wokgemüse in der Luft, überall rot-gelbe Akzente, das dynamische Sechseck-Logo, überhäufte Ideenwände, ein nicht zur Ruhe kommender Fotoautomat, die höchsten Würdenträger der Stadt. Bergkamen hatte soeben mit Bravour die erste Jugendkonferenz Bergkamen for all absolviert.

Bergkamen for all – die Jugendkonferenz

Die Veranstaltung hatte einen Zuspruch gefunden, mit dem niemand gerechnet hatte. Am Ende sah man erschöpfte aber begeisterte Gesichter bei Allen, die sich für die Organisation und den reibungslosen Ablauf dieser ersten Jugendkonferenz eingesetzt hatten.

In unterschiedlichen Workshops, beim gemeinsamen Kochen sowie im Gespräch mit Politiker:innen sind Jugendliche einen Nachmittag unter dem Motto „Jugend gestaltet Zukunft“ zusammengekommen. Unter anderem wurde dabei auch diskutiert, wie die Stadt in Zukunft gestaltet werden könnte, um sie noch lebenswerter für alle zu machen. Raum für die Veranstaltung bot die Volkshochschule (VHS), in deren Räumen und Fluren die verschiedenen Angebote stattfanden, organisiert wurde die Jugendkonferenz von den Jugendlichen selbst – gemeinsam mit der Steuerungsgruppe.

Die Entstehung

Im Bergkamen for all-Team kam im Laufe der allgemeinen Projektarbeit immer wieder die Frage nach der Zielgruppe des Integrationsmanagements auf. Beantwortet wurde die Frage damit, dass im besten Fall alle in Bergkamen lebenden Menschen angesprochen werden. Als erste relevante Zielgruppe wurden die Jugendlichen benannt, für die eine Großveranstaltung konzipiert werden sollte. Sie sollte die Gesellschaft zusammenbringen, ihre Vielfalt abbilden und dazu anregen, Bergkamen gemeinsam zu gestalten. Dabei sollten abwechslungsreiche interaktive Aktionen stattfinden. Es war der Steuerungsgruppe wichtig, dass es nicht nur eine Veranstaltung für, sondern von Jugendlichen sein sollte. Die Jugendlichen wurden in die Entscheiderrolle gebracht und die Erwachsenen unterstützten lediglich als sogenannte Dienstleister.

Klimawandel, Ernährung, Alltagsrassismus

In einem ersten Treffen lernten die Schüler:innen sich untereinander besser kennen, da sowohl verschiedene Arbeitsgruppen (Anti-Rassismus-AG, Umwelt-AG und die Amnesty-AG), verschiedene Klassenstufen und Schulen (Gymnasium Bergkamen und Willy-Brandt-Gesamtschule) und Teilnehmende aus dem Verband der Islamischen Kulturzentren und dem Jugendzentrum vertreten waren. Gemeinsam überlegten die Schüler:innen in gemischten Gruppen, welche Themen sie spannend fänden. Dabei ergaben sich sieben Themenfelder, mit denen sich die Schüler:innen bei der Konferenz beschäftigen wollten: Klimawandel, Ernährung & Kochen, Diskriminierung & Alltagsrassismen, Kultur und eine Jugendzeitung.

Nachdem die Schüler:innen die Themen vertieft und ausgearbeitet hatten, wurden noch einige generelle Fragen geklärt, für die eine gemeinsame Lösung gefunden werden sollten: Wer soll bei der Konferenz dabei sein? Wie wird erreicht, dass die Personen kommen? Soll der Arbeitstitel Bergkamen for future bleiben?

Jugend übernimmt Regie

Bergkamen for future erinnerte die Organisatoren zu sehr an Fridays for future. Außerdem sollte sich die Veranstaltung nicht ausschließlich an Jugendliche richten, sondern auch Erwachsene und Senioren einbeziehen. Der Name war geboren: Bergkamen for all.

Um eine möglichst hohe Teilnehmerzahl zu erreichen war klar, es braucht einen professionellen, visuellen Auftritt für die Veranstaltung und eine Kommunikationsstrategie, die sicher stellt, dass alle Zielgruppen erreicht werden. So wurde von den Jugendlichen gemeinsam mit dem ISI – Institut für soziale Innovation – ein Logo und diverse Kommunikationsmittel wie Plakate, Flyer, Merchandise und eine Social Media-Kampagne entwickelt. Jugendliche und Erwachsene wurden mit unterschiedlichen Botschaften angesprochen.

Die Jugendlichen wurden aufgefordert, aktiv zu werden: „Die Zukunft unserer Stadt? Machen wir selbst! Mach mit!“. Den Erwachsenen wurde die Frage gestellt „Wie geht es den Jugendlichen in unserer Stadt? Wenn du mehr erfahren und den jungen Menschen zuhören willst, komm zur Jugendkonferenz“. Mit diesen Slogans wurden zwei Wochen vor der Veranstaltung in Bergkamen unterschiedliche Plakate aufgehängt und durch professionelle Promotionteams an den Schulen Flyer verteilt. In einer Social Media-Kampagne stellten u.a. die jugendlichen Organisatoren ihre Workshopthemen vor. Einzelne Organisationsteams arbeiteten die Workshopinhalte aus. Dabei ließ sich die Stimmung als durchweg gut und produktiv mit viel Elan beschreiben, die auch die professionelle Begleitung der Gruppen wie Dienstleister und das ISI erfahren durften.

Der große Tag

Nachdem die letzten Vorbereitungen abgeschlossen waren, öffneten pünktlich um 14:00 Uhr die Türen und schnell füllte sich der große Saal der VHS mit Kindern, Jugendlichen, Eltern, Großeltern und Politikern. Eröffnet und moderiert wurde die Konferenz durch Nadine Haßlöwer und Meike Hornbostel, beide Mitarbeiterinnen des ISI, die das Wort an Bürgermeister Roland Schäfer übergaben, der alle Anwesenden begrüßte. Auf seine Frage, ob er jemanden bei seiner Begrüßung vergessen habe, meldete sich ein Kind mit „Ja, mich.“ – durch diesen herzlichen Zwischenruf entstand von vornherein eine lockere Atmosphäre und es wurde einmal mehr deutlich, wer an diesem Tag im Mittelpunkt stehen sollte. 

Im Anschluss eröffneten die unterschiedlichen Workshops und Angebote. Mit dem Thema Alltagsrassismus setzten sich drei Jugendlichen vom Bildungszentrum Bergkamen auseinander. Die Teilnehmenden erfuhren spielerisch, wo im Alltag Rassismus anfängt. Teilnehmende berichteten, „dass der Rassismus-workshop immer voll und gut besucht war und auch Kinder dabei waren“. Besonders spannend fanden sie es, „wie meinungsstark die Kinder waren und wie sie den Erwachsenen etwas gegen ihre Vorurteile entgegengesetzt haben.“

Einige Schritte weiter im Flur hatte Hannah eine Mitmachaktion zum Thema Nachhaltigkeit vorbereitet. Hier konnten wiederverwertbare Wachstücher zum Frischhalten von Lebensmitteln hergestellt werden, was bei jung und „alt“ großen Anklang fand.

Journalistisch arbeiten und Schnippeldisko

Die ursprüngliche Idee, eine Jugendzeitung zu produzieren, entwickelte sich schnell in Richtung Jugend bloggt weiter. Mia und Lia wollten sich mit der Idee auseinandersetzen, wie ein journalistisches Onlineformat von und für Jugendliche aussehen könnte. Als Unterstützer wurden Heino Baues, ehemaliger Tageszeitungsredakteur und Alexander Völkel von den Dortmunder Nordstadtbloggern eingeladen. Gemeinsam wurden Themen und Formate für den geplanten Blog erarbeitet, der schon wenige Wochen später Wirklichkeit werden sollte.

Eine Schnippeldisko, halb Club, halb Küche lud zum gemeinsamen Kochen, Essen und Tanzen ein. An Tischen schnippelten Jugendliche und ihre Eltern um die Wette, um anschließend in den bereitstehenden Woks unterschiedlichste Leckereien zu kreieren.

Wünsche an die Politik

Im Eingangsbereich waren mehrere Angebote untergebracht: Das Ideenland bot den Jugendlichen die Möglichkeit mit lokalen Politikern aller Fraktionen ins Gespräch zu kommen, Wünsche zu äußern und Visionen für Bergkamen zu entwickeln. Auf Stellwänden wurden die Ideen und Wünsche gesammelt. Christian Scharwey, Stellvertretender Jugendamtsleiter, ist während der Veranstaltung „bewusst und deutlich geworden, dass die Jugendlichen eine sehr realistische Einschätzung davon haben, was sie erreichen wollen. Jetzt liegt es an der Stadt und der Politik bzw. allen gemeinsam, ins Handeln zu kommen.“

Großer Beliebtheit erfreute sich eine Fotobox, in der pausenlos Fotos geschossen wurden, die an diesen großartigen Nachmittag erinnern. Vermutlich wurden dabei mehrere Rekorde gebrochen, wenn es darum ging möglichst viele Menschen, ob hoch oder quer gestapelt, auf engstem Raum auf ein Foto zu bekommen.

Kunst schafft Austausch

Doch auch das Künstlerische sollte nicht zu kurz kommen: Beim Graffiti-Workshop konnten sich die Jugendlichen im Taggen, Zeichnen und Malen ausprobieren. Unterstützt wurden sie dabei von zwei echten Graffiti-Künstlern und es entstand die ein oder andere vielversprechende Kreation. „Auf den ersten Blick schien der Graffiti-Workshop so als wäre er kein großer Ort des Austausches. Durch die Verweildauer und das gemeinsame Malen ist er aber genau das geworden und hat die Menschen miteinander verbunden“, berichtet eine Teilnehmerin.

Die Workshops wurden in zwei Runden durchgeführt, andere Angebote ermöglichten ein „Kommen und Gehen“. Während der gesamten Veranstaltung konnten die Jugendlichen sich für das große Finale registrieren: die Verlosung einer Playstation und anderer toller Preise.

Und dann war es kurz vor 17:00 Uhr soweit, die Workshops waren abgeschlossen, alle Zutaten gekocht und die Fotobox leerfotografiert. Nach einer kurzen Reflexionsrunde, mit den Jugendlichen, in der von den vielfältigen und sicherlich bleibenden Eindrücken des Tages berichtet wurde, führte Christian Scharwey vom Jugendamt Bergkamen die heiß ersehnte Verlosung durch und ein glücklicher Gewinner ging mit einer neuen Playstation unter dem Arm nach Hause.

Nachdem sich die Veranstaltung langsam auflöste, blieb ein Kreis erschöpfter, aber überglücklicher Organisatoren zurück, völlig überwältigt davon, was gerade passiert war. Mit solch einem Ansturm hatte vermutlich niemand im Vorfeld gerechnet und der Erfolg bestätigte die Organisatoren darin, dass Partizipation, Mitsprache und vor allem Freude sowie eine gute Atmosphäre Großes bewegen können.

Pin It on Pinterest

Skip to content