Interview

Christine Busch ist Dezernentin für Bildung und Soziales in der Stadt Bergkamen. 

Wir haben uns mit Ihr über den Prozess der letzten vier Jahre ausgetauscht und festgehalten, welches Lernen stattgefunden hat, wie der Prozess aus Ihrer Sicht gelaufen ist und was daran auch im Transfer für Andere interessant sein kann.

Liebe Frau Busch, warum braucht es ein Projekt wie Bergkamen for all?

Wollen zum Handeln – so möchte ich den Prozess beschreiben. Es gibt lange schon ein Wollen, dass die Stadtgesellschaft mit ihrer bunten Mischung von Menschen so zusammenwächst, dass Jeder und Jede einen guten Platz haben kann. Und dabei geht es letztlich nicht nur um Menschen mit und ohne Zuwanderungsgeschichte, es geht genauso um Junge und Alte, Schutz- und Hilfsbedürftige, Männer und Frauen … Aber wie kann Bergkamen ein Zuhause für alle werden und sein? Wie kommen wir ins Handeln? Diesem Gedanken folgt nun die sich immer wieder verändernde Gruppe von Bergkamen for all. Aber es beschreibt auch einen organisatorischen Rahmen, in dem Aktionen und Projekte stattfinden können; auch Strukturen wirken hilfreich.

Welchen Akzent wollen Sie mit Ihrer Arbeit setzen? Was ist Ihnen wichtig? 

Unabhängig davon, wie ein Lebensweg beginnt soll jeder Mensch die Möglichkeit haben, sein Leben selbstbestimmt zu gestalten. Zugang zu Bildung und Kultur ist wichtig, Möglichkeiten der Mitbestimmung und der Mitgestaltung in unserer Stadt sind wegen der Vielfalt der Beteiligten wertvoll für alle. 

Was hat Sie veranlasst, sich auf diesen prozesshaften Ansatz und Weg einzulassen?

Es gibt so viele kluge Forschung und Erklärungen, wie Integration gelingen kann. Aber sind das wirklich Antworten auf Fragen die wir hier stellen? Mit meinen Kollegen:innen bin ich mir einig, dass wir einen eigenen Weg finden und gehen müssen, damit Bergkamen mehr und mehr ein Ort für alle ist. Um das rauszufinden braucht es Zeit, Mitdenkende, Visionäre – und eine professionelle Begleitung. Was ist gut, was ist dran, was soll zukünftig werden, was passt zu uns und was nicht? Der Weg entwickelt sich im Gehen – diese Möglichkeit wollte ich uns geben.

Beschreiben Sie ihr persönliches Highlight und das für Sie überraschendste Ergebnis?

Die Highlights waren natürlich die Veranstaltungen: bunt, laut, fröhlich – ernsthaft, fragend, neugierig. Da kann ich gar nicht das Eine nennen. Tatsächlich hat mich überrascht und auch angerührt, mit welcher Klarheit junge Leute mit ganz unterschiedlicher Biografie auf die Gesellschaft blicken und wie ernsthaft der Wunsch, ja eigentlich die Forderung ausgesprochen wird: Lasst uns teilhaben, hört hin und hört zu. Aber wir haben auch viel miteinander gelacht!

 

Welche wichtigsten Erkenntnisse und Learnings haben Sie gewonnen?

Dass es sich lohnt! Dass es ich lohnt, Möglichkeiten der Begegnung und des voneinander Lernens zu schaffen. Dass es zusätzlich zu den etablierten Organisationen eine Menge toller Menschen gibt, die ihre Heimatstadt echt gerne haben und sich zugleich Entwicklung wünschen. Aber ich habe auch gelernt, dass vom Wollen zum Handeln auch Handwerkszeug notwendig ist. Insofern ist mir schon jetzt das Kleine Handbuch so wichtig – auch, weil es für viele andere Projekte hilfreich sein wird.

Was würden Sie einer anderen Kommune empfehlen, die sich auf einen ähnlichen Weg begibt?

Zunächst mal möchte ich jede Kollegin und jeden Kollegen ermutigen, es zu wagen – das Risiko ist gering, der Gewinn ist groß. Sie werden sich selbst ein bisschen neu kennenlernen (müssen), denn es werden eine Menge Fragen gestellt. Ihnen werden Menschen begegnen, die Sie bisher nicht auf dem Schirm hatten, Sie werden Ihre Stadt noch ein bisschen besser kennenlernen. Aber – auch das ist nach meiner Erfahrung zielführend: Lassen Sie zumindest streckenweise den neutralen Blick von außen zu. Unser Verwaltungsdenken ist wichtig – aber nicht alles.

Und abschließend die Fragen: Was wünschen Sie dem Projekt weiterhin und wie können die Ergebnisse und Learnings auf die Stadt und Verwaltung transferiert werden?

Ich bin ganz zuversichtlich, dass wir in Politik und Verwaltung schon auf dem guten Weg sind, wonach Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, Menschen mit Behinderung, Menschen mit existenziellen Nöten nicht als „Problem“ definiert und auch so behandelt werden, sondern ganz gewöhnlicher Teil unserer Gesellschaft sind. Ich bin nicht naiv – um das Wirklichkeit werden zu lassen braucht es mehr als ein Kleines Handbuch; dazu braucht es Haltung. Aber die entwickelt und verstärkt sich, wenn wir uns gemeinsam in Politik und Verwaltung dieser Idee verschreiben, unsere Möglichkeiten erkennen und verwirklichen. „Bergkamen für alle“  nicht mehr, aber auch nicht weniger – das ist mein Wunsch und mein Antrieb.

 

Vielen Dank!

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