Das
Tipi-Projekt
Ein Zelt als Symbol für die Buntheit des Lebens, für Vielfalt, Respekt und Vernetzung bei aller Verschiedenheit.
von Petra Buschmann-Simons
Im Frühjahr 2021 erzählte mir auf einer Tagung der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen eine Leiterin von dem Tipi-Projekt, das sie mit ihren Gruppen im Siegerland durchgeführt hatte. Neugierig geworden forschte ich im Internet. Hinter dem Tipi-Projekt steht die Künstlerin Ute Lennartz-Lembeck. Mehr als 30 Tipi-Projekte hat sie weltweit realisiert. Viele Menschen nähen gemeinsam ein großes buntes Zelt. Es steht für die Buntheit des Lebens, für Vielfalt, Respekt und Vernetzung bei aller Verschiedenheit. Ein Zelt gibt Schutz, Sicherheit und Geborgenheit unterwegs. Es ist gebaut, um es überall aufzustellen, um sich so ein Stück Zuhause zu fühlen, um andere einzuladen, Gemeinschaft zu erleben. In New York, Taipeh, Basel, Bonn und vielen anderen Orten symbolisiert ein buntes Tipi diese Idee – warum nicht auch in Bergkamen? Ich nahm Kontakt mit der Künstlerin auf, die eigentlich dieses Projekt beenden wollte, aber sich darauf einließ, es in Bergkamen noch einmal zu realisieren. Ich konnte die Mitglieder des Diakonieausschusses unserer Gemeinde begeistern. 1.600 Quadrate aus bunter Wolle nähen? Kein Problem. So baten wir um Wollspenden und riefen zum Häkeln auf. In der Zeit der Pandemie, wo viele noch zu Hause waren, eine gute Idee, etwas Sinnvolles zu tun.
Dann erzählte ich im Interreligiösen Gesprächskreis der Stadt Bergkamen von dem Tipi-Projekt und es nahm noch einmal ganz neu Fahrt auf. Die Vertreter:innen der verschiedenen Religionsgemeinschaften in Bergkamen fanden diese Idee gut, um auch die religiöse Vielfalt in Bergkamen aufzuzeigen. Menschen verschiedener Religionen, aus ganz verschiedenen Ländern und Kulturen, leben in Bergkamen und es ist wichtig, das Wirgefühl zu stärken und zu demonstrieren. Und ein Zelt kann vor einer Kirche oder einer Moschee aufgebaut werden und Menschen einladen. So kamen wieder viele neue Interessierte dazu, die in ihren Gruppen und Vereinen zum Häkeln aufriefen. Ich erinnere mich an die Frauengruppe unseres Flüchtlingshelferkreises. Eine Frau aus Syrien brachte den anderen Frauen Häkeln bei und obwohl sie alle verschiedener Herkunft waren und unterschiedliche Sprachen sprachen, war es ein lustiger Nachmittag, wo alle Spaß miteinander hatten und jede Frau stolz ihr gehäkeltes Quadrat zeigte, mit dem Gefühl, auch ich habe dazu etwas beigetragen.
Es hat etwas gedauert, aber dann war es geschafft: 1.600 bunte, ganz unterschiedliche Quadrate kamen zusammen und wir trafen uns im Gemeindehaus mit der Künstlerin um die Quadrate zum Tipi zu legen. Menschen, die sich vorher nicht kannten, knieten auf dem Boden, legten Farbe um Farbe, kamen ins Gespräch. So war es auch beim nächsten Mal, als die Künstlerin wieder kam und zeigte, wie alles zusammengenäht wird. Aus verschiedenen Richtungen nähten Menschen aufeinander zu, manche Männer nähten zum ersten Mal in ihrem Leben und es waren begegnungs- und erfahrungsreiche Treffen, die schon vor der Fertigstellung des Tipi Menschen in Respekt und Solidarität zusammenbrachte.
Nun ist das Tipi fertig genäht und wartet darauf, aufgestellt zu werden. Das soll im Frühjahr 2023 mit der Künstlerin geschehen. Ideen zur Einweihung gibt es auch schon: z.B. zu Beginn des Jahres ein Zelt mit guten Wünschen für 2023 zu gestalten und von Kirche zu Moschee, zum Rathaus und vielen anderen Orten wandern zu lassen.