Christophine Reinwald (* 1757 in Marbach; † 1847 in Meiningen), Namensgeberin der „Christophine Kunstschule Meiningen“, wird häufig nur als Nebensatz in dem Leben eines Manns bedacht. Doch die warmherzige und taffe Frau verdient es selber im Rampenlicht zu stehen.
Elisabetha Christophine Frederike Reinwald, geborene Schiller, war die Älteste von sechs Kindern, von denen nur Drei weitere das sechste Lebensjahr überlebten. Zwei Jahre nach ihr kam das zweitälteste Kind auf die Welt. Schon seit klein auf pflegten sie und ihr Bruder Friedrich Schiller ein enges und vertrautes Verhältnis. Er vertraute ihr, durch einen regen Briefwechsel, seine Geheimnisse an und sie war eine der ersten die seine Begabung erkannten.
Im Jahr 1775 zog die Familie Schiller auf die „Solitude“ in Stuttgart , wo der Vater zum Hofgärtner des Herzogs ernannt wurde. Der junge Friedrich Schiller litt stark unter der so entstandenen Abhängigkeit von dem Herzog und 1782 kam es zur Flucht Schillers von der „Solitude“. Christophine war eine der ersten, und wenigen, Eingeweihten und Unterstützerinnen seines Plans.
Eine weitere Person von Bedeutung in ihrem Leben war die Künstlerin Ludovike Simanowiz. Die beiden Frauen entwickelten eine lebenslange Freundschaft und Simanowiz inspirierte Christophine Reinwald selber mit dem Zeichnen und der Malerei anzufangen.
Aber die Person die ihr gesamtes Leben auf den Kopf stellen sollte, war jemand anderes, der Meininger Hofrat Wilhelm Reinwald (* 1737; † 1815) – Bekanntschaft machte sie mit ihm durch die Briefe ihres Bruders. Im Jahr 1786 heirateten sie in Geringen, trotz Widerspruch seitens Schillers. Vielleicht ahnte dieser schon im Voraus etwas von der Inkompatibilität der beiden verschiedenen Charaktere und wollte seiner geliebten Schwester die Qual der nächsten Jahre ersparen. Trotzdem vermählten sie sich und zogen in eine kleine, beengte Wohnung am Markplatz in Meiningen. Schnell entpuppte sich ihr Ehemann als knauseriger, zurückgezogener, unsozialer Mensch. Ihre enge Wohnung, in welcher sie sich nur gegenseitig auf die Füße treten konnten, stellte sich als treffende Metapher für ihre Ehe heraus. Christophine wurde nach und nach ein Ebenbild ihres Mannes, fern von sozialen Interaktionen und der temperamentvollen Frau, welche sie vorher einmal war.
Während dieser Zeit fing sie damit an, Zeichenunterricht für junge Mädchen aus dem Umkreis zu geben, um ein Nebeneinkommen für den Haushalt zu verdienen. Dies fiel ihr aber zunehmend schwerer, aufgrund ihrer sich verschlechternden Sehkraft.
1796 kam dann ein Lichtblick für sie in Sicht. Nach langem Drängen Christophines und Schillers erhielt sie, von ihrem Mann, die Erlaubnis zu verreisen – natürlich musste Schiller sich bereit erklären für die Kosten der Reise aufzukommen. Endlich hatte sie die Möglichkeit ihre eigenen Entscheidungen zu treffen und wurde nicht durch die Eigenarten ihres Ehemannes bevormundet. Doch ihr Glück war nicht von langer Dauer. Der Besuch auf der Jugendheimatstätte in Stuttgart – der „Solitude“ – war von Leid geprägt. Das Gebäude wurde in ein Lazarett umfunktioniert und der kranke Vater lag im Sterben. Christophine musste ihren, ebenfalls kranken Bruder, am Sterbebett vertreten. Und zu allem Überdruss forderte Reinwald, sie möge schnellstmöglich nach Meiningen zurückkehren, um wieder mit ihrem Zeichenunterricht zum Einkommen beizusteuern.
Erst als sie zurück in Meiningen war, bekam sie die Möglichkeit neu aufzublühen.
Über die Jahre hinweg war der Briefwechsel der Geschwister Schiller abgeflaut, bis er fast nicht mehr vorhanden war, aufgrund der einnehmenden Kontrolle Reinwalds. Doch Schiller erkannte schlussendlich ihre Not und gab ihr die Möglichkeit zur Flucht. Im Gegensatz zu seiner eigenen Flucht, war dies jedoch kein physisches, sondern eher ein psychisches Entkommen – gemeinsam entwickelten sie einen geheimen Briefwechsel, welcher über Christophines Nachbarin verlief. Zuzüglich gab ihr das erhaltene Erbe, der 1802 verstorbenen Mutter, ein Schwung an Selbstvertrauen; dies ermutigte Christophine dazu, ihre eigene Situation in den Briefen an ihren Bruder zu analysieren und zu hinterfragen. Sie stellte Reinwald zur Rede und gab ihm zu verstehen, dass sie nun die Möglichkeit hatte, sich ein separates Leben aufzubauen und bei ihrem Bruder Unterschlupf finden könnte, wenn er sie nicht besser behandelte.
Als Reinwald nur wenige Jahre später, im Jahr 1815, starb, erlangte sie endlich ihre lang ersehnte Freiheit und ihre eigentliche Geschichte begann.
Ihr Mann hatte ihr zwar, vermutlich durch eine Wesensmilderung im Alter, ein Haus, Land und ein wenig Geld hinterlassen, doch sie gab dies weg und kehrte Meiningen den Rücken zu. Sie entfloh dem Gewohnten und stand nun endlich auf eigenen Füßen. 1816 reiste sie zu ihrer Schwester Louise, fühlte sich jedoch dort unwohl und kehrte zum Geburtsort in Marbach zurück, wo sie für drei Jahre bei entfernten Verwandten wohnte. Dort kam es unter anderem auch zur Widervereinigung mit der guten Freundin Ludovike Simanowiz. Jedoch erst 1822 kehrte sie, motiviert von ihrer Freundin Louise Heim, auf die „Solitude“ zurück, welche mittlerweile stark heruntergekommen war. Gemeinsam reisen die beiden Frauen danach für mehrere Monate durch die Schweiz. Louise Heim war es auch, mit der Christophine 1823 nach Meiningen zurückkehrte. Der freudige Empfand, den sie dort erlebte, bewegte sie dazu doch dort zu verweilen.
Ihr blieben nun noch 25 Jahre, ein viertel Jahrhundert, Christophine fing an ihre Familiengeschichte und, vor allem, die jungen Jahre Friedrich Schillers nieder zu schreiben. Sie diente unter anderem auch als Quelle für andere biografische Niederschriften über Schillers Leben.
Aber vor allem hatte sie in den letzten Jahrzehnten ihr Vergnügen wiedergefunden. Sie nahm den Zeichenunterricht wieder auf, ohne dafür eine Bezahlung zu verlangen und genoss den sozialen Umgang.
Christophine gewann im Alter an Ausgeglichenheit und Lebensfreude hinzu und entwickelte sich zu einer vergnügten, schlagfertigen alten Dame, welche mit beinahe 90 Jahren in Frieden, in Meiningen verstarb.
Heute erinnert eine Gedenktafel in der Meininger Georgstraße 4, gegenüber der Christophine Kunstschule, an sie.
Dieser Artikel ist entstanden, da ich zur Zeit mein Freiwilliges Kulturelles Jahr in der Christophine Kunstschule absolviere und in Meiningen lebe.